(Re-)Integration von krebserkrankten Kindern und Jugendlichen in den Sportunterricht

Erstellt in Zusammenarbeit mit Birte Eichhorn (Sportwissenschaftlerin Kinderonkologisches Zentrum Bremen) und dem Elternverein Leukämie- und Tumorkranker Kinder Bremen e. V. 

Sehr geehrte Lehrkräfte,

es ist von entscheidender Bedeutung, dass Lehrkräfte sich über krebserkrankte Kinder und Jugendliche informieren können, da sie eine wichtige Rolle im Leben dieser spielen. Durch ein besseres Verständnis der Krankheit und ihrer Auswirkungen können Lehrkräfte eine unterstützende und einfühlsame Lernumgebung schaffen. Dies hilft nicht nur den Betroffenen, ihren Bildungsweg fortzusetzen, sondern fördert auch das Bewusstsein und die Empathie bei allen SchülerInnen. So tragen Sie wesentlich dazu bei, dass an Krebs erkrankte Kinder und Jugendliche trotz ihrer Herausforderungen ein Gefühl der Normalität und Zugehörigkeit erleben.

Herzlichen Dank an den NAOK-Standort München, der die folgenden Videos erstellt hat und zur Verfügung stellt. 

Video 1: „Sport in der Klinik“ (Dauer 3:08 min)

Video 2: „Schulsport nach der Klinik“ (Dauer 2:10 min)

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Im Rahmen der Wiedereingliederung des betroffenen Kindes in den Schulsport könnten Ihnen möglicherweise bestimmte Fachbegriffe begegnen. Zur Förderung eines besseren Verständnisses haben wir im Folgenden eine Erläuterung dieser Begriffe zusammengestellt.

Fatigue
Bei dem Fatigue-Syndrom handelt es sich um ein andauerndes, subjektives Empfinden von Müdigkeit und Erschöpfung. Es schränkt die körperliche Belastungsfähigkeit entscheidend ein und tritt als Begleiterscheinung gerade bei Tumorerkrankungen ein. Dabei besteht nicht immer ein verhältnismäßiger Zusammenhang zwischen einer vorangegangenen Aktivität und der Symptomatik (Rank et. al., 2012).

Es konnte bereits herausgefunden werden, dass Bewegung bei dem Vorliegen von Fatigue deutlich wirksamer ist als eine Medikamenteneinnahme (Mundt, 2019).

Unter einer Endoprothese versteht man Implantate, welche natürliche Körperstrukturen, wie zum Beispiel Gelenke, ersetzen. Diese verbleiben in der Regel dauerhaft im Körper.

Bei Knochenkrebs muss häufig eine Endoprothese eingesetzt werden, um eine möglichst große Bewegungsfähigkeit wiederzuerlangen. Eine hundertprozentige Belastungsfähigkeit ist jedoch nicht möglich. Daher kann es zu Einschränkungen zum Beispiel hinsichtlich der Sprintfähigkeit und dem Joggen kommen.

Wenn die bei Ihnen betroffenen SchülerInnen also eine solche Endoprothese haben, ist es wichtig herauszufinden, wo die jeweiligen Einschränkungen liegen.

Man spricht von einem Rezidiv, wenn es nach einer erfolgreichen Krebsbehandlung zu einem Wiederauftreten von Krebs kommt. Dabei leidet gerade die Psyche bei einem solchen Rückfall. Die richtige Kommunikation ist auch hierbei entscheidend.
Bei einer Immunsuppression wird das körpereigene Abwehrsystem unterdrückt. Dies kann durch den Krebs ausgelöst werden und birgt einige Gefahren mit sich. Die sportliche Aktivität in einer solchen Phase sollte den Körper nicht überlasten. Das Pensum sollte entsprechend dem individuellen Wohlbefinden ausgewählt werden und mit den Betroffenden und/oder den Eltern abgesprochen werden.
Ein Positivattest umgeht die vorschnelle Entscheidung für eine Sportbefreiung. Sie wird über das ärztliche Personal ausgestellt und beinhaltet eine konkrete Problembeschreibung aus biologisch-medizinischer Perspektive. Dabei füllt die zuständige Person eine Checkliste aus, die bspw. die Einschätzung der allgemeinen Sporttauglichkeit, Hinweise zur körperlichen Leistungsfähigkeit und besondere gesundheitliche Gefährdungen im Zusammenhang mit der Erkrankung beinhaltet. (Marckhoff, 2021 verlinken)

FAQ

Worauf muss ich genau achten?

Während der Therapie hat der Schüler oder die Schülerin eine erhebliche Zeitspanne mit inaktiven Liegephasen verbracht. Dabei wird das Vertrauen in den eigenen Körper erschüttert und oftmals findet ein Vergleich mit dem früheren „leistungsfähigen“ Sport-Ich statt.

Bitte sprechen Sie mit dem Kind und seinen Eltern, um in Erfahrung zu bringen, was zu welchem Zeitpunkt relevant ist zu beachten und welche Handlungsweise dann hilfreich ist.

Dabei ist es wichtig, stets die Belastungsmerkmale (bspw. Schwindel, sehr hoher Puls, Kopfschmerzen) im Blick zu behalten und ggf. zu reduzieren. Auch eine Fatigue-Problematik könnte vorliegen und sollte nicht unterschätzt werden. Insgesamt ist es von großer Bedeutung die Bedürfnisse des Kindes zu erfragen, berücksichtigen und Verständnis für die jeweilige Situation aufzubringen.

Die Sportlehrkraft spielt eine entscheidende Rolle im (Re-)Integrationsprozess von krebserkrankten Kindern und Jugendlichen. Wir verstehen, dass Lehrkräfte mit vielen Aufgaben und Herausforderungen konfrontiert sind. Dennoch ist es wichtig, dass Bewegung und Sport nicht vernachlässigt werden, obwohl die Therapie oft sehr anspruchsvoll und belastend ist. Aus Angst oder übermäßiger Vorsicht Kinder vom Sportunterricht fernzuhalten, kann negative Auswirkungen haben. Im Gegensatz dazu fördert körperliche Aktivität die Rehabilitation nach einer Krebserkrankung und stärkt das Selbstwertgefühl der Kinder. Ohne triftige Gründe sollte daher keine Befreiung vom Sportunterricht erfolgen. Die Aufgabe der Sportlehrkraft sollte eine unterstützende Begleitung sein, wobei die Förderung individuell angepasst gestaltet werden muss.

Bei einer Einschränkung hinsichtlich physischer, psychischer oder konditioneller Parameter ist es sehr sinnvoll die Beurteilung anzupassen. Dabei ist von Bedeutung, dass jedes Kind individuell zu betrachten ist und keine pauschale Anpassung stattfinden sollte.

Die Familie muss eine Bescheinigung der Klinik vorlegen, in der eine Notenangleichung und eine Nichtbenotung empfohlen werden. (Ggf. Dokument verlinken.)

Ein Nachteilsausgleich oder eine Notenbefreiung stellt, wie auch bei anderen chronischen Erkrankungen, eine gute Möglichkeit dar. Dabei sollte die Beurteilung der Leistung individuell erfolgen. Eine offene Kommunikation zwischen dem Schüler/der Schülerin und der Lehrkraft bildet dabei die Basis. Auch eine darüber hinaus stattfindende Absprache mit den Eltern und/oder dem ärztlichen Personal kann von Vorteil sein. Die Option von selbstbestimmten Pausen kann dem Kind Sicherheit geben.

Es besteht kein negativer Zusammenhang von Sport und Krebs. Ganz im Gegenteil wird es in jeder Therapiephase empfohlen. Außerdem ist der soziale Aspekt beim Sport von Bedeutung.  Die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit ist durch Spiel, Sport und Bewegung positiv geprägt. Es gibt die Möglichkeit Vorbilder zu finden, Konflikte zu lösen, Ängste zu besiegen und/oder Stärken zu entdecken. Gerade der Schulsport ist wichtig für Kinder und Jugendliche, welche nicht in einem Verein tätig sind. Häufige Ursache bei an Krebs erkrankten Kindern oder Jugendlichen ist die Angst, nicht gut genug zu sein und mithalten zu können. Daher kann der Schulsport der einzige Zugang für die positiven Zusammenhänge von Bewegung und Sport sein.

Um möglichst gut vorbereitet zu sein, kann ein von dem ärztlichen Personal ausgestelltes Positivattest hilfreich sein.

Weiterführende Literatur

Beerbom, C., Schönberg, C., & Kubandt, M. (2010). Unterrichtsentwicklung: Schülerinnen und Schüler mit chronischen Erkrankungen. Ludwigsfelde-Struveshof: Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM).

Durlach, F-J., Kauth T., Lang H., & Steinki, J. (2007). Das chronisch kranke Kind im Sport in Schule und Verein. (Niedersächsisches Kultusministerium, Hrsg.). Stuttgart: Bräuer GmbH.

Lawrenz, W. (2020). Chronisch kranke Kinder und Jugendliche im Schulsport. Gesellschaft für Pädiatrische Sportmedizin.

Marckhoff, M. (2021). Das „Positivattest“-die Lizenz zum Sporttreiben.Bauchredner. 100-105.

Mundt, M.(2019). Krebs und körperliche Aktivität: Durch Bewegungstherapie die Kontrolle zurückgewinnen. best practice onkologie, 4, 136-140.

Rank, M.,Freiberger, V., Halle, M., & Tiska, O. (2012). Sporttherapie bei Krebserkrankungen: Grundlagen – Diagnostik – Praxis; mit 19 Tabellen. Stuttgart: Schattauer.

Kontakt aufnehmen

E-Mail: Gabriele.Gauss@uk-essen.de

Tel: 0201 723 6563
Fax: 0201 723 6247

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