Betroffene
Bericht: Ski-Reha im Pitztal
mit dem NAOK-Standort Hannover
Das Institut für Sportwissenschaft der Uni Hildesheim veranstaltet seit 2013 jährlich eine ‚Ski-Reha‘ für an Krebs erkrankte Kinder und ihre Familien in einem Selbstversorgerhaus in Österreich. Die Fahrt und der Ort haben bereits eine lange Tradition und Erfolgsgeschichte. Skifahren bei einer malignen Erkrankung hört sich zunächst unvorstellbar an und manche würden es sogar als
gefährlich vermuten. Tatsächlich birgt der Skisport aber keine größeren Verletzungsgefahren als andere Sportarten, sondern eher noch das Potenzial, dass alle hier Teilnehmenden eine meist neue, besonders faszinierende Bewegung in der Natur erlernen und alle weiteren Facetten des einwöchigen Zusammenlebens unter einem Dach bewusst wahrnehmen und erleben können, so dass es ein einmaliges, positives Erlebnis werden sollte.
Bericht aus der Sicht von Frau Avila (Mutter)
Wenn sich einmal im Jahr die Sportis der Uni Hildesheim mit der Medizinischen Hochschule Hannover zusammentun, dann ist eins sicher: Es wird nicht nur sportlich, sondern auch herzerwärmend. Und das Ganze findet nicht irgendwo statt, sondern mitten im Winterwunderland – im Pitztal in Österreich! Diese legendäre Skifahrt war auch in diesem Jahr vom 15. bis 22. März 2025 ein wirkliches Highlight. Es war eine Woche voller Lebensfreude, Gemeinschaft und unvergesslicher Momente für Patientenkinder und ihre Familien. Von der ersten Minute an spürt man: Hier zählt das Miteinander. Egal ob auf Skiern, beim Abendprogramm oder beim gemeinsamen Kochen – jeder hilft jedem, keiner bleibt allein. Die Kids strahlen über beide Ohren, die Eltern können mal durchatmen, und die Teamer sind mit Herzblut und vollem Einsatz am Start.
Skifahren für alle
Skifahren können hier wirklich alle lernen – ganz egal, welche körperlichen Voraussetzungen mitgebracht werden. Mit einer extra Portion Geduld, einem Haufen kreativer Methodik und ganz viel guter Laune schaffen es die Teamer, auf alle persönlich einzugehen. Ob stehend, sitzend, mit Hilfsmitteln oder einfach mit einem ordentlichen Schub Motivation – hier wird individuell geschaut, was geht. In diesem Jahr ging so einiges: Unser eigenes Kind sauste am Ende der Woche mit ihrer Beinprothese, breitem Grinsen und jeder Menge Style die Piste runter, als wär’s das Normalste der Welt. Und irgendwie war’s das auch – weil Inklusion hier nicht nur ein Wort ist, sondern gelebt wird.
Piste, Pulverschnee & Programm deluxe
Vom Anfänger bis zum Pistenprofi kommt hier jeder auf seine Kosten. Und wenn die Skischuhe nachmittags in unserem gemütlichen Haus (direkt neben der Gondel!) ausgezogen werden, hört der Spaß noch lange nicht auf: Nach dem gemeinsamen Abendessen starten die Teamer mit ihrem perfekt durchgeplanten Programm noch einmal richtig durch. Casinoabend mit selbstgebasteltem Glamour, kreative Talentshow, knifflige Quizrunde, Disco-Abende und gemeinsames Lachen beim Spieleabend – das ungezwungene Abendprogramm ist so abwechslungsreich wie liebevoll organisiert.
Krönender Abschluss: Magie unter Sternen
Den emotionalen Höhepunkt bildet die Fackelwanderung am letzten Abend. Durch die winterliche Dunkelheit geht’s mit flackerndem Licht auf einen mystischen Pfad. Und dann – ganz plötzlich – tauchen sie auf: die Berggeister! Mit Humor, etwas Zauber und ganz viel Herz führen sie die legendäre Skitaufe durch. Tränen in den Augen? Nicht ausgeschlossen.
Fazit ❤
Wir sind uns sicher, dass so gut wie alle Teilnehmer*innen am liebsten ein weiteres Mal mitfahren würden, denn diese Fahrt ist kein gewöhnlicher Skiurlaub. Sie ist eine einzigartige Auszeit vom Alltag, eine Energiequelle für alle Beteiligten. Danke an alle, die das möglich machen – von der Organisation durch die Teamer über die großzügigen Geldgeber und Spender bis zu den Familien,
die mit ihrer Offenheit und Lebensfreude diese Woche zu etwas ganz Besonderem machen. Unser erstes Nachtreffen ist bereits fest geplant. Wir freuen uns schon, alle wiederzusehen.
Bericht von Prof. Nicolas Kurpiers
Um sechs Uhr in der Früh fuhr am Samstag, den 15.3.2025 wie gewohnt der Reisebus der Firma Mecki-Reisen vom Parkplatz der Medizinischen Hochschule Hannover ab. Insgesamt 12 Familien und 12 Betreuer, bestehend aus zwei Ärzten, neun Sportstudent*innen aus Hildesheim und einem Veranstaltungsleiter, machten sich gemeinsam auf nach Jerzens am Hochzeiger ins schöne Pitztal. Von den insgesamt 49 Personen wussten nur einige wenige schon, was auf sie zukam, denn es gab sowohl einige Wiederholer unter den Familien als auch unter den Ausbilder*innen. Die meisten waren zwar entweder als Teamer über das Vorbereitungsseminar an der Universität Hildesheim vorbereitet oder als Teilnehmer*innen über den vorherigen Mail-Verkehr informiert, dennoch schien es zunächst ein weitgehend ungewisses Abenteuer zu sein, auf das man sich einließ.
Nach der Ankunft in Jerzens gegen 16 Uhr und dem typischen anfänglichen Trubel beim Zimmer beziehen, Auspacken, das Haus kennenlernen und auch schon mal die nähere Umgebung erkunden, konnten die Familien im benachbarten Skigeschäft schon ihr Leihmaterial anprobieren und mitnehmen. In der Zwischenzeit hat das Betreuungsteam in unserer Selbstversorgungsküche das erste Abendessen zubereitet. Nach dem Abendessen wurde zunächst der Ablauf dieser Woche erläutert mit gemeinsamen Essenszeiten, Einteilung der Küchendienste und Skigruppen, Skizeiten, Abendprogrammen, Zuständigkeiten etc. Anschließend fand noch ein kleines Kennenlernprogramm statt als Einstieg in die gemeinsamen Abendaktivitäten, bevor sich alle durch genügend Schlaf auf den nächsten Tag vorbereiteten.
An den ersten beiden Skitagen spielte das Wetter zwar noch nicht ganz so strahlend und sonnig mit wie ab dem dritten Tag, doch die Outdoor-Aktivitäten begannen wie gewohnt mit einem intensiven, gemeinsamen und spaßbetonten Erwärmungsprogramm. Nachdem das Ritual der kollektiven Sonnenbegrüßung eingeführt worden war, zeigte sich die Sonne auch immer mal wieder, und die Skigruppen fanden sich zur gemeinsamen Erkundung des Skigebiets oder zum Start am Anfängerhang zusammen. Niemand hielt sich dort besonders lange auf, da das Ausbilderteam mithilfe geeigneter Vermittlungswege in der Lage war, alle Teilnehmenden schnell, sicher und gezielt zu einer Grobform des parallelen Skifahrens zu führen (siehe Ein-Ski-Methodik).
Der Skiunterricht verlief grundsätzlich so, dass Erwachsene und Kinder getrennt betreut wurden, um Ablenkungen zu verringern. Zwischen den zwei Ski-Einheiten pro Tag fand eine gemeinsame Mittagspause in unserem Haus statt, das direkt über die Piste erreichbar war.
Die Nachmittagseinheit endete in der Regel gegen 14:30 Uhr. So blieb genügend Zeit zur Verfügung, um sich zu erholen, zu spielen, in die Sauna zu gehen, zu malen, mitgebrachte Hausaufgaben zu erledigen usw. Einige nutzten sogar die Gelegenheit, ins eiskalte Wasser des nahegelegenen Bergsees zu springen. Die täglich wechselnden Kochgruppen bereiteten ab ca. 17 Uhr das Essen für alle zu. Parallel kam das Team zusammen, um den Tag zu reflektieren und gegebenenfalls Anpassungen für die kommenden Tage vorzunehmen, methodische Kniffe zu besprechen, die Abende weiter zu planen und sich über tagesaktuelle Themen auszutauschen.
Das Abendprogramm bestand aus Gesellschaftsspielen, einem Battle Klein gegen Groß, einem Casino-Abend, einer Kinder-Disco, einem Talentwettbewerb, dem Besuch der legendären 3 Skizwerge und auch der obligatorischen Nachtwanderung mit Fackeln. Jede(r) war herzlich eingeladen, an allen Aktivitäten teilzunehmen und kaum jemand hat diese Angebote ausgeschlagen, aber natürlich hatte man ggf. auch die Möglichkeit, auszusetzen und sich etwas Ruhe zu gönnen, wenn das nötig oder gewünscht war.
Am Samstag, dem 22. 3. 2025, räumten zunächst alle gemeinsam das Haus auf und packten sämtliche Koffer sowie mitgebrachte Utensilien, sodass wir um 9 Uhr den Bus beladen konnten, um gegen 9:30 Uhr in Jerzens wieder Richtung Hildesheim und Hannover aufzubrechen.
Vor der Abfahrt sang die gesamte Gruppe noch ein Dankeslied für die Familie Lentsch – die nicht nur Hausbesitzer ist und uns bei allen möglichen Anliegen unterstützt hat, sondern auch das Sportgeschäft betreibt, über das wir zu Sonderkonditionen mit Leihmaterial ausgestattet und stets hervorragend beraten wurden.
Eine Studentin führte im Rahmen ihrer Masterarbeit vor und nach der Fahrt eine Befragung durch, bei der es um die psychosozialen Effekte der Reha-Maßnahme ging. Das Konzept der Fahrt sowie weitere wissenschaftliche Erhebungen aus den letzten Jahren wurden bereits publiziert [1–5].
Neben dem sportlichen Schwerpunkt in der Natur und an der frischen Luft kann insbesondere der soziale Zusammenhalt und das ausgeprägte Wir-Gefühl als Besonderheit dieser Woche hervorgehoben werden. Schon das für viele neue Bewegungserlebnis in der Berglandschaft ist etwas ganz Besonderes. Hinzu kommen das Gruppenerlebnis und die beflügelnden individuellen Erfolge.
Zieht man die Aussagen der Teilnehmenden und die Eindrücke des Teams heran, zeigen sich als zentrale Begleiterscheinungen: Unbeschwertheit im Einklang mit Tiefgang, Optimismus, Zuversicht, Selbstbewusstsein, Hoffnung, Vertrauen in den eigenen Körper, Loslassen, neue Freundschaften knüpfen, alte pflegen und eine insgesamt positive Haltung zum eigenen Leben. Diese Erfahrungen entstehen aus einer Vielzahl besonderer „Magic Moments“.
Was genau diese Momente ausmacht, wie sie sich anfühlen und wie sie in Erinnerung bleiben, können letztlich nur diejenigen wirklich nachvollziehen, die dabei waren.
Wenn man das Erlebte mit einem Wort zusammenfassen müsste, wäre es für die Teilnehmenden wohl „Dankbarkeit“ – und für das Team „Stolz“. Nach nochmaligem Nachdenken wurde uns jedoch bewusst, dass sich diese Gefühle auch jeweils gut auf die andere Gruppe übertragen lassen.
Das Team darf jedenfalls sehr stolz darauf sein, was hier auf die Beine gestellt wurde – und wie eindrucksvoll es gelungen ist, einen Moment der Normalität herzustellen. Nicht selten wurden wir dabei von tiefer Rührung und ebenfalls großer Dankbarkeit ergriffen.
Ich bedanke mich im Namen meines Teams und stellvertretend für alle Teilnehmer*innen recht herzlich für die wertvolle Förderung durch Menschen für Kinder e.V., die Vortour der Hoffnung e.V., die Bürgerstiftung Hildesheim e.V., die VHV Stiftung und den Verein für krebskranke Kinder Hannover e.V. sowie zahlreiche private Unterstützer und Förderer. Ein besonderer Dank geht an mein großartiges Team, bestehend aus Sportstudierenden der Universität Hildesheim, ehemaligen Studierenden, die bereits als Lehrkräfte oder
Therapeut*innen arbeiten und dem Projekt treu geblieben sind und Onkolog*innen aus der MHH. Ohne euch und ohne die finanzielle Unterstützung der Förderer wäre dieses Projekt nicht durchführbar. Es bereitet uns große Freude, die Familien wieder glücklich und „zurück im Leben“ zu sehen und bedanken uns auch für ein sehr intensives, vertrauensvolles und schönes Miteinander.
Bei Interesse oder Fragen stehe ich gerne zur Verfügung unter kurpiers@uni-hildesheim.de.
Weitere Informationen zu unserem Angebot gibt es unter https://www.unihildesheim.de/fb1/institute/institut-fuer-sportwissenschaft/mitglieder/professoren/prof-drnicolas-kurpiers/winter-und-wassersport-in-der-rehabilitation-krebskranker-kinder/
Mit freundlichen Grüßen
Nico Kurpiers
Quellen
1. Kurpiers, N., Alpine Skiing with Childhood Cancer Survivors: Concept and Benefits. Bewegungstherapie und Gesundheitssport, 2024. 40: p. 25-31.
2. Kurpiers, N., V. Lampe, and T. Zimmermann, Investigation of The Psychological Wellbeing after a One-Week- Skiing Intervention with Childhood Cancer Survivors. Journal of Physical Medicine Rehabilitation Studies & Reports, 2023. 5(5): p. 1-5.
3. De Lazzari, N., et al., Acute eDects of endurance exercise on Global DNA methylation after high intensity and moderate-intensity intervention – A methodological study. Journal of Medical Case Reports and Case series 2022. 3(1).
4. Kurpiers, N., T. Vogler, and S. Flohr, EDects of an Intense One-Week Skiing Program on Balance Abilities in Pediatric Cancer Patients. International Journal of Sports and Exercise Medicine, 2018. 4(105): p. doi.org/10.23937/2469-5718/1510105.
5. Kurpiers, N., et al., Immune Response in a Pediatric Cancer Patient After a One-Week Skiing Intervention. International Journal of Sport and Exercise Medicine, 2019. 135(5)